Was sind Ess-Störungen?

Wir leben in einer Zeit, in der Essen im Überfluss zur Verfügung steht. Wir erliegen den Versuchungen des Schlemmer-Schlaraffenlands, aber zugleich wissen wir: Schlank ist schön! Also rücken wir den überflüssigen Kilos mit Diäten zu Leibe und stöhnen über den Jojo-Effekt. Kann man da noch von normalem Essverhalten sprechen? Oder sind wir alle essgestört?

Nicht jeder, der regelmäßig abends auf dem Sofa dem Süßhunger oder der Lust auf Knabberzeug nachgibt, ist essgestört. Zwar erhält er die Quittung für seine allzu menschliche Reaktion auf die Verlockungen des Ess-Überangebots auf der Waage. Übergewicht allein gilt heutzutage aber nicht als Ess-Störung. Und auch wer nach einem üppigen kulinarischen Wochenende zwei Fastentage einlegt, braucht sich über sein Essverhalten keine Gedanken zu machen.

Ess-Störungen sind nicht immer auf der Skala der Waage ablesbar. Es gibt Ess-Gestörte mit Unter-, Normal- oder Übergewicht. Zum Gewicht kommt etwas hinzu: Das Extreme, die Exzesse, die Maßlosigkeit in Gedanken, Gefühlen und Verhalten. Wer sich in Gedanken wirklich häufig mit den Themen Essen, Aussehen, Gewicht beschäftigt, wer außerdem den unwiderstehlichen Drang spürt, zu essen, zu hungern oder zu essen und zu erbrechen, wer zusätzlich immer wieder vergeblich versucht zu widerstehen und dann doch dem Drang immer wieder nachgibt, hat mit großer Wahrscheinlichkeit eine Ess-Störung. Oft ohne sie gleich zu bemerken, denn der Übergang in die Störung ist fließend.

Derzeit werden drei Arten von Ess- Störungen unterschieden:

Magersucht (Anorexia nervosa)

Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

Ess-Attacken (Binge-eating disorder)

Und für alle gilt: Ess-Störungen sind psychische Störungen, bei denen der Verzicht aufs Essen oder das übermäßige Essen Suchtcharakter angenommen hat. Ess-Störungen können Mädchen und Jungen, Frauen und Männer gleichermaßen treffen: Während Magersucht und Ess-Brech-Sucht bei Mädchen und Frauen häufiger zu beobachten sind als bei Jungen und Männern, sind Übergewicht und Ess-Sucht mit Ess-Attacken bei beiden Geschlechtern gleichermaßen zu finden.

Ess-Störungen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Sie können ein Leben beherrschen oder scheinbar reibungslos in den Alltag integriert sein. Übergänge und Wechsel zwischen den Essstörungen (von Bulimie zu Magersucht und umgekehrt, von Bulimie zu Ess-Attacken und selten umgekehrt) sind möglich. Ess-Gestörte sind innerlich oft sehr stabil und belastbar, in schweren Zeiten und Krisen können sie aber auch einbrechen - vom Abmagern bis an die Todesschwelle bis hin zum Suizid. Ess-Störungen treten nicht selten gemeinsam mit hohem Tabletten- (Abführmittel, Appetitzügler) oder Alkoholkonsum auf.

Ess-Störungen beginnen meist in der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter und können

  • zum Tode führen
  • körperliche Gesundheitsschäden hervorrufen
  • Jahrzehnte lang andauern
  • überwunden und geheilt werden